Rom im spätweihnachtlichen Glanz
Wo kann man schöner und verlockender Weihnachten feiern (außer in Bethlehem und in der vertrauten eigenen Heimatgemeinde) als in ROM…?!
Vorstellen möchte ich eine kleine, aber feine geistliche Gruppenreise, die ich seit Jahren anbiete und begleite. Diese Pilger- und Studienreise hinterlässt unvergessliche Eindrücke in der Ewigen Stadt und eröffnet ungewohnte Einblicke in die italienische Weihnachtsfrömmigkeit. Rom ist bis zum Fest der 'Taufe des Herrn' im „Weihnachtsfieber“. Die Ewige Stadt ist dann immer noch festlich illuminiert. Rom zeigt sich zumeist Anfang Januar auch wettermäßig von seiner überraschend schönen Seite. Das Besichtigungsprogramm ist nicht schweißtriefend, die Temperaturen sind tagsüber oft schon frühlingshaft warm, nur selten gibt es Regen. Die Lichtverhältnisse sind außergewöhnlich. Auch die Warteschlangen sind überschaubar.
In dieser Zeit kurz nach der Jahreswende besuchen wir die klassischen Pilgerziele, die großen Patriarchalbasiliken, feiern die hl. Messe in den Katakomben und in der uralten Pfarrkirche S. Pudenziana, steigen hinab in das unterirdische Rom unter der geheimnisvollen Kirche S. Clemente, lernen die antiken Ausgrabungen – die Foren, den Palatin und das Kolosseum - kennen, erleben in abendlichen Spaziergängen das mittelalterliche und barocke Rom mit den üppigen Lichteffekten der Weihnachtsdekoration, flanieren vorbei am ruhigen Regierungsviertel, besichtigen nach Möglichkeit die Vatikanischen Museen und die Sixtinische Kapelle – jedoch alles gerät unter das einzigartige Vorzeichen der Weihnachtszeit.
Und darum ist mir und wurde vielen Pilgern und Pilgerinnen das spätweihnachtliche Rom zwischen Neujahr und dem Fest der Taufe des Herrn ein besonders kostbares Wallfahrtsziel. Die Weihnacht schafft eine eigene Atmosphäre, die vielleicht noch charakteristischer ist als die zu Ostern in Rom.
Die meisten Pilger aus dem Norden kommen ja zu Ostern oder im Herbst in diese Stadt. Dann ist die Stadt voll und manchmal heiß.
Rom in der Weihnachtszeit – das ist außergewöhnlich und liegt doch so nahe; denn Kaiserinmutter Helena hatte im 4. Jahrhundert Rom zu einem „zweiten Bethlehem“ gemacht und damit für „Weihnachtschristen“ zu dem Pilgerziel. Alle, die nicht die weite Reise ins Heilige Land antreten konnten oder wollten, waren dem Geheimnis der Geburt des Herrn in Rom nahe. Rom ist nicht erst seit dem Mittelalter „città presepe“, also „Krippenstadt“. Die Mutter Konstantins brachte Erde von Bethlehem und Reste der Stallkrippe in die Hauptstadt. Die Holzbretter werden noch heute in der wunderbaren Basilika 'S. Maria Maggiore' als Zeichen göttlicher Selbsterniedrigung verehrt.
Höhepunkt einer spätweihnachtlichen Krippenfahrt nach Rom ist für viele Mitreisende die Begegnung mit dem Papst in der feierlichen Messe im Petersdom am Fest der heiligen drei Könige (Erscheinung des Herrn Epiphania, italienisch Befana) und der päpstliche Segen und Gruß beim anschließenden Angelus auf dem Petersplatz. Dort herrscht die ausgelassene Stimmung italienischer Familienweihnacht. Musikkapellen und orientalisch anmutende Folkloregruppen geben dem 6. Januar den Charakter eines großen Volksfestes.
In dieser außergewöhnlichen Jahreszeit ist Rom etwas für Liebhaber und Feinschmecker! In dieser Zeit ist die Stadt zwar voll – es herrscht reges Weihnachtsgeschäft wie bei uns an den vier Adventssonntagen - , aber nicht überlaufen. Die Stadt gehört dann vor allem den Italienern. Die Weihnachtsmärkte sind noch offen; es duftet nach gebrannten Esskastanien; überall auf dem volkstümlichen Jahrmarkt auf der Piazza Navona wird die kleine freundliche Hexe Befana angeboten, die mit dem 6. Januar ebenso eng verbunden ist wie bei uns die heiligen drei Könige. Denn nicht der 24.12., sondern der 6.1. ist in Italien das Fest der „Bescherung“. Wir lernen die schöne Legende der guten Hexe kennen, die die Kinder erfreut, weil sie es verpasste, das Jesuskind zu beschenken.
Rom bietet eine unbeschreiblich vielseitige Krippenwelt; italienische Weihnachtsfrömmigkeit ist anders als die deutsche. Fotografen und Liebhaber der Krippenkunst kommen auf ihre Kosten. In jeder Kirche findet der Pilger auf seinem Krippenweg neue überraschende Krippenlandschaften mit viel Liebe zum Detail: traditionell, figurenreich, mit Lichteffekten und beweglichen Figuren, manche modern, andere wie neapolitanische Krippenwelten, die 'Hütte Davids' in römischen Ruinen und dazwischen die heilige Familie... Es gibt die kommunalen Krippen auf den Plätzen (Petersplatz, Kapitol, Piazza Navona), im Hauptbahnhof und auf der Spanischen Treppe, die Krippe der 'Müllmänner'... Das „Bambino“ vom Aracoeli auf dem römischen Kapitol (vor ihm dürfen italienische Kinder auf einer provisorischen Kanzel 'predigen' und Gedichte aufsagen) ist neben den Reliquienresten der Krippe in der Kirche S. Maria Maggiore der herausragende geistliche Haftpunkt römischer Weihnachtsspiritualität.
In S. Santa Maria in Trastevere besuchen wir den Abendgottesdienst der Kommunität von S. Egidio. In dieser Kirche wird zu Weihnachten den Armen ein Ehrenplatz gegeben, wenn ihnen nach der Weihnachtsmesse ein Festessen in der grandiosen Basilika unter dem Gold der Apsis geboten wird. Diese Kirche im volkstümlichen Stadtteil Trastevere ist der Ort, wo der Legende nach im Augenblick der Geburt Jesu im fernen Bethlehem eine Ölquelle entsprungen sei. Vereinzelt erlebt man noch auf den Gassen das Spiel von Folkloregruppen, Nachfahren der "Pfifferari“, der Hirten und Schäfer von der Campagna mit ihrer musikalischen Weihnachtsbotschaft. Ihr schönes Lied „Tu scendi dalle stelle“ hat in Italien den Stellenwert wie bei uns „Stille Nacht, heilige Nacht“.
Zu Gast sind die Pilger im freundlichen und warmen Schwesternhaus der hl. Klara „Domus Vitellia“. Der Konvent lebt nach der Regel der hl. Chiara von Assisi, der geistlichen Freundin des hl. Franziskus. Er war es, der in Assisi und anderen Städten Umbriens die Weihnachts- und Krippenfrömmigkeit gewissermaßen 'erfunden hat', die in Rom so eindrucksvoll weiterlebt.
So habe ich Rom noch nie gesehen, sagen erfahrene Romfahrer. Und für Wallfahrer, die Rom zum ersten Mal erleben und erlaufen, ist eine Reise in das weihnachtliche Rom wie eine Liebe auf den ersten Blick – eine Liebe zu einer Stadt, die ein Leben lang hält…
Kurt Josef Wecker, Pfr.
Bischöflicher Beauftragter für das Pilgerwesen und die Wallfahrtspastoral in der Diözese Aachen